Die Passion – das ewige Lehrstück

Gedanken zum Karfreitag von Klaus Lelek

Ein Mann, der gestern noch unter großem Jubel in eine Stadt einzog, dessen deutliche Worte gegen Gewalt, Unrecht, Ausbeutung, Unterdrückung, doppelte Moral, Frömmelei und sogar Kinderschändung die Menschen begeisterte, ist plötzlich allein. Nur wenige sind noch bei ihm, aber auch dessen Freundschaft und Treue gleicht einem Blatt im Wind. Plötzlich schlägt diesem Mann Haß und vor allem Undank entgegen. Das Gift der Intrige entzweit seinen Anhang. Feigheit und Verrat in Verbindung mit Geldgier und Geltungssucht schleicht sich gleich einem heimtückischen Geschwür in die Tafelrunde ein.

Jener Wort gewaltige Mann, der oftmals nur Gesten brauchte, um die Menschen zu beeindrucken und für seine Mission mit Mut und Feuereifer stritt, ohne dabei seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl zu verlieren, steht hilflos der infamen Bosheit eines einzelnen, dem Wankelmut seiner Freunde und dem infernalischen Hass seiner Feinde gegenüber. In dieser Situation gibt es nur zwei Möglichkeiten: Fliehen oder Standhalten, das heißt im Endeffekt STERBEN.
Die Passionsgeschichte, Höhepunkt im Leben Jesu, verbindet die Tragik griechischer antiker Dramen mit der Weisheit und Tiefe jüdischer Prophetie. Die jüdische Prophetentradition, in die Jesus, wie auch Johannes, als unbequemer Mahner und Reformer, wie kein anderer vor ihm hineinpasst, verbindet sich in der Passionsgeschichte mit dem was Dramatiker wie Sophokles und Aischylos als „Katharsis“ in ihren Theaterstücken heraus gearbeitet haben. Die Botschaft der Dramen lautet: Das Leiden hat einen höheren Sinn. Auch wenn am Ende der Tod steht. Das Leiden ist nur der Weg zu einer höheren Erkenntnisstufe. Es bewirkt eine Reinigung.

Die Griechischen Dramen setzen das fort, was im jüdischen Hiob-Buch unfertig und unbeantwortet bleibt. Der wohlhabende Hiob wird von Gott gequält, verzweifelt an ihm, klagt ihn an, um am Ende wieder gerettet zu werden. Er fungiert wie eine Marionette, die wie bei der griechischen Tragödie durch eine Art „Götterstreit“ (eine Wette zwischen Jawe und dem Teufel) in Gang gesetzt wird. Ödipus und andere griechische Heroen lehnen sich dagegen bewusst gegen die Götter auf, entlarven sie als grausam und erheben sich als Märtyrer gegen ihre Willkür, werden als menschlich handelnde Protagonisten unsterblich. Der Mensch wird durch sein menschliches Handeln göttlich. Die Götter dagegen durch ihr unmenschliches Handeln zu Dämonen. Sie stehen moralisch gesehen als triebhafte, ichsüchtige, eifersüchtige und rachsüchtige Wesen weit unter den Menschen, die sie aus einer Laune heraus leiden lassen. In der Passion Christi erleidet Gott die Leiden der Menschen, werden die Grenzen zwischen Gott und Mensch aufgehoben.

Jesus Christus geht über Hiob und Ödipus hinaus. In der Passion des Gekreuzigten fließen zwei gewaltige Ströme zusammen. Griechische Kultur und Jüdische Religion verbinden sich um fortan als Christentum, vermischt mit anderen Einflüssen, als breiter Strom abendländischer Kultur durch die Zeiträume zu fließen. Bald schon erreichte der Fluss auch die keltischen Gebiete, England, Irland… Dort wird der Kelch Christi zum HEILIGEN GRAL, die Apostel zu Rittern der Tafelrunde des König Arthus.
Mit den Evangelien, und ihrer Passionsgeschichte wurde ein Gefäß geschaffen, daß weit über die Kirchenturmspitze hinaus reicht. Das Bild vom leidenden Christus war zu allen Zeiten auch das Bild der leidenden Menschheit. Der Verräter Judas, der Verräter schlechthin. Das Blutgeld, wie oft wurde es bezahlt? Die Häscher, mit ihren höhnischen Gesichtern, die Söldner, die auf Befehl für Geld oder gar aus Lust am Morden alles ausführen, was man ihnen befielt. Gab es sie nicht auch in Dachau, Buchenwald und Auschwitz? Der nach Blut dürstende rasende Mob, gibt es ihn nicht eins zu eins in Ägypten, Nigeria und Pakistan? Der feige Richter Pilatus, der ein „Bauernopfer“ bringt und dann „seine Hände in Unschuld wäscht“, gleicht er nicht aufs Haar jenen, die unser Recht zu Gunsten eines radikalen Islam immer mehr aushöhlen, freie Meinungsäußerung drakonisch bestrafen und im gleichen Atemzug Bandenkriminalität als Kavaliersdelikt durchgehen lassen? Wer hält noch zu einem, wenn man im Betrieb auf der Abschußliste steht? Kennt nicht jeder von uns auch einen Petrus, der diskret weg schaut, einen nie gekannt hat. Drei mal krähte der Hahn!!
Daß sich der iranischer Dichter Navid Kermani von der Darstellung des Gekreuzigten angeekelt fühlt und im gleich Atemzug die Gewalttiraden des Korans als „Schönheit“ lobt, macht ihn zu einem der höhnischen, würfelnden Häscher unter dem Kreuz, zum sadistischen Söldner, der Jesus vor der Kreuzigung auspeitschte. Aus purer Lust an der Grausamkeit. So wie ja im Heimatland von Kermani auch heute noch Männer und Frauen halbtot geprügelt werden und sich anschließend Richter wie Pilatus nach der Aburteilung Unschuldiger,  z. B. Konvertiten, die Hände in Unschuld waschen, haben sie sich doch bei ihrer Barbarei nur das göttliche Gesetz der Scharia angewendet.
Das Leiden unschuldiger Menschen hat nie etwas „ekelhaftes“. Ekelhaft sind nur die Täter. Auch die Schreibtischtäter. Und am allermeisten ekel ich mich vor solchen, die ihre grausame Banalität noch als Dichtkunst verkaufen. Daß man ihnen dafür noch Preise überreicht grenzt an Blasphemie.

Nicht der Gekreuzigte ist ekelhaft, sondern die, die ihn auch heute noch – oder wieder – verhöhnen…

Gastbeiträge geben die Meinung des Verfassers wieder, die nicht der der Redaktion entsprechen muss

  1. #1 von Zahal am 22/04/2011 - 17:23

    Griechische Kultur und Jüdische Religion verbinden sich um fortan als Christentum

    Sie wissen schon, was Sie hier schreiben? Gerade diese Auslegung der Passion ist Schuld an 2000 Jahre Menschenverfolgung, wenn das die Folgen der Jüdischen Religion sein sollen? Ich bitte Sie, nochmals meinen Beitrag aus dem Vorherigen zu lesen und das auch zu berücksichtigen. Übersetzungsfehler und Fehldeutungen müssen nicht „heilig“ sein.

    Bitte lesen Sie auch dazu:

    Bibelforscher meinen heute: Judas war unschuldig, wurde zum Werkzeug in einer Intrige gemacht.

    Die Verteufelung des Judas war eine gezielte Desinformation interessierter frühchristlicher Kreise. Mit dieser These überrascht der Theologieprofessor William Klassen von der Ecole biblique, dem Institut für Bibelforschung in Jerusalem, in dem Buch „Judas. Verräter oder Freund Jesu?“.

    Auch Pinchas Lapide hat sich ausführlich mit dieser These beschäftigt und erstaunliche Dinge ans Tageslicht gebracht.

    Antwort aus dem anderen Beitrag – #5 von Klaus Lelek am 22/04/2011 – 15:16

    Abgesehen von der „Judasaktion“ der Armenier, über die ich gerade einen Artikel für QQ schreibe.

    Zu spät, jetzt steht er ja schon. 😦

    Nix für ungut, aber da ist sie wieder, diese seit Jahrhunderten zum festen Kerngehalt der deutschen Sprache gehörenden Fehldeutungen.

    Sorry – aber Judas ist erst als Verräter aufgebaut worden, als die frühchristliche Kirche sich formierte und den Bruch mit dem Judentum vollzog. Judas mußte herhalten als Symbolfigur für die Anschuldigung, die Juden hätten Jesus verraten, eine Version, mit der sich die Frühchristen vom Judentum abgrenzen konnten. Die Kreuzigung Christi ist nach den neuesten Forschungen vielmehr Pontius Pilatus anzulasten, der eine die römische Herrschaft bedrohende jüdische Verschwörung befürchtete, bei der Jesus mit dem Hohepriester unter einer Decke gesteckt habe.

    Ausserdem ist erwiesen, daß es zur Zeit Jesus keine Zahlungsmittel gab, die sich „Silberlinge“ nannten, es gab Denare, Minen, Schekel und Drachmen, diese Art Zahlungsmittel kam 300 Jahr vorher schon aus dem Umlauf – und zum guten Schluss liegt hier eine Fehlübersetzung vor – „Verrat“ steht nirgendwo im Urtext, das griechische „paradidonai“ bedeutet dagegen: dahingehen – überliefern – also auch Selbstauslieferung. Was wäre gewesen, wenn die Evangelien von einem Johannes gesprochen hätten, hätte dies auch die gleichen Folgen gehabt? Ich denke nein, von daher, wer die Bedeutungshoheit besitzt bestimmt auch den Diskurs – nix für ungut.

    Die Rehabilitierung des Judas und die Zuweisung der Schuld für den Kreuzigungstod Jesus an die Römer entzieht nämlich auch den Vorurteilen den Nährboden für Antisemitismus, der wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte der Christen geht.

  2. #2 von aktivposten am 22/04/2011 - 18:02

    Welchen Grund für Antisemitismus sollte es für Christen geben? Jesus ist auferstanden, er hat sein Leiden vorher selber angekündigt, ich nehme heute seinen stellv. Tod für mich in Anspruch. Es war kein „Irrtum“, sondern es mußte so kommen, welchen Grund sollte es für Antisemitismus geben ?

    Ich bin seit meiner Bekehrung Freikirchler und kenne viele Freikirchen in halb Deutschland, wir würden uns eher die Zunge abschneiden als zu sagen „Die Juden sind schuld“. In ganz vielen Freikirchen gibt es eigene Solidarität-mit-Israel-Arbeitsgruppen, und die Bedeutung der Juden für die Zukunft, gelesen aus der Offenbarung, ist uns sehr wohl bewußt.

    Der Antisemitismus der RKK hat wohl eher seine Gründe darin, daß die Juden sich nicht unterwerfen wollten, außerdem beanspruchte die Kirche das „Heilige Land“ für sich.

    Zwischen „organisiertem Christentum“ und dem persönlichen Glauben an den HERRN Jesus Christus besteht leider eine ziemliche Kluft.
    Ein Autoaufkleber drückt das so aus: „In die Kirche zu gehen, macht Dich so wenig zu einem Christen, wie der Besuch bei McD Dich zu einem Hamburger macht!“

  3. #3 von Klaus Lelek am 22/04/2011 - 20:40

    // Zahal,

    Um eins klarzustellen. Ich habe Judas nie als Juden im klassischen Sinne wahrgnommen, sondern eben als Mitglied dieser spätjüdischen synkretistischen Mysteriengruppe,
    die sich aus den hennoch- und Essenergemeinden kommend um Jesus gescharrt hat.
    Dass er später zur Symbolfigur des bösen Juden wurde, ist allerdings richtig. Man kann diese Entwicklung genau nachvollziehen. In einem frühen Evangelium berreut er seinen Verrat und erhängt sich, in einem späteren Evangelium fährt er unter Donnerhall in die Hölle. Von nun wird er immer mehr zur Symbolfigur des Bösen. da haben Sie vollkommen recht.
    Anderseits ist das Evangelium von Anfang an auf „Archetypen“ aufgebaut.
    Mir kam es im Artikel darauf an die Archetypen und Elemente dieses Dramas auf die heutige Zeit zu übertragen. Das gelingt nicht immer. Bei Judas ist der Fall sehr ambivalent, weil er ja auch zum „Heilsplan“ gehört. Viel mehr Schaden haben die Judas-adaptionen, wie etwa „Ahasver“ angerichtet. Ein langes Thema…

  4. #4 von Zahal am 22/04/2011 - 21:02

    Die Legende von Ahasver ist doch erst im 13. Jahrhundert entstanden und erstmalig gedruckt erschienen erst in Leiden 1602, da war schon viel gegessen, wenn ich die Geschichte der Juden in Europa verfolge, gut Sie haben einen Teil beigetragen, aber der Ausgangspunkt waren die vielen Fehlübersetzungen aus der Septaguinta…..wo es gar nicht um „Verrat“ geht, nun, sei es wie es sei, wir wollen mit Vorurteilen aufräumen oder?