Saliba: Religionsfreiheit ist keine Einbahnstraße!

Rede von Lukas Saliba (Junge Aramäische Union) bei der heutigen Großdemonstration in Frankfurt

Liebe Aramäer, liebe Kopten und liebe Freunde die Ihr hier heute mit uns Eure Solidarität zeigt!

Wir haben uns heute in Frankfurt versammelt um gegen die weiter anhaltende Gewalt gegen Christen in aller Welt zu demonstrieren. Frankfurt ist die Wiege der deutschen Demokratie. Nicht weit von hier, in der Paulskirche, tagte 1848 das erste Deutsche Parlament.

Einer der Abgeordneten sagte damals:

„Man ist nun zu der Überzeugung gekommen, dass sich alle Nationen verbinden müssen, um die Zwecke der Humanität und des Menschenglücks gemeinschaftlich zu fördern. Umso mehr muss dies da stattfinden, wo zwei oder mehr Nationalitäten zu einem Staat vereinigt sind. Hier hat nun die Stärkere nicht das Recht, der Schwächeren Unrecht zuzufügen…“

Wie bitter klingen solche Sätze heute nach über 150 Jahren in unseren Ohren?
Wie bitter klingen solche Sätze in den Ohren von Aramäern, Kopten und Armeniern?

In der Türkei wurde das älteste Kloster der Welt, Mor Gabriel, enteignet. Es ist eine der letzten Zufluchtstätte für uns aramäische Christen. Dieser Ort des Glaubens wurde uns geraubt. Unsere Kultur wird ausgelöscht. Vernichtet! Armenische und Griechische Kirchen in der Türkei sind heute nichts weiter als Museen. In Ägypten konnte man in der Neujahrsnacht koptische Christen buchstäblich von der Straße kratzen. Und das Morden geht weiter. Aber auch das Schweigen über diese Morde. In Ägypten stürmten aufgehetzte Massen Kirchen und Klöster und lynchten wehrlose Pater, ohne dass darüber auch nur eine einzige Zeile in der Presse stand. Eine 11köpfige Familie wurde ausgerottet. Darunter ein dreijähriges Kind…

Liebe Politiker, liebe Zeitungsredakteure…

Während ihr die scheinbar friedliche arabische Revolution feiert, werden unseren Priestern die Hälse durchgeschnitten und liegen Klöster unter Beschuss durch die Ägyptische Armee. Unsere Kirchen werden in Schutt und Asche gelegt, die Frauen geschändet und Christen wie Schlachtvieh durch die Straßen gehetzt.

Trotzdem schrieb angesichts der Anschläge von Alexandria der Kommentator einer Tageszeitung:

„Wer angesichts dessen einfach von Christenverfolgung redet macht sich unglaubwürdig“.
Und Sprecher der Grünen meinen gar, dass ein besonderer Schutz für Christen andere Minderheiten benachteiligen würde. Wer heute in diesem Land die Verbrechen an Christen anprangert bekommt von einigen Leuten der Amtskirchen sogar gesagt: „Dass er den Religionsfrieden stört“ Menschen, die solche Statements von sich geben kann ich nur zurufen:

EUER FRIEDE RIECHT NACH DEM VERWESUNGSGERUCH UNSERER LEICHEN!!!!

Mit euren Friedensappellen verstopft ihr eure Ohren, damit ihr die Schreie verbrannter, entstellter und verstümmelter Menschen nicht hört. Ihr schließt die Augen vor dem Gräuel, weil unser Blut euer Bild von einer heilen, bunten Multikultiwelt trübt.

Schaut auf dieses Foto! Diese Aramäerin hat man ans Bett gefesselt, vergewaltigt und ihr bei lebendigem Leib das Herz herausgeschnitten und ihr wie zum Hohn ein Kruzifix in den Rachen gestoßen. Ist das euer Friede? Sehen so die Früchte eurer Dialoge aus?

Die gleichen Organisationen, die uns hierzulande zu gemeinsamen Gebeten einladen – und sich von der Presse als Friedensstifter feiern lassen – enteignen in unseren Heimatländern unsere Klöster und setzen uns das Messer an die Kehle. Sehen so Friedensappelle aus?

Religionsfreiheit ist keine Einbahnstraße sondern ein unveräußerliches Menschenrecht.

Sie ist auch keine Gnade, wie Frau Wieczorek-Zeul es so schön bei der Gedenkfeier in der koptischen St. Markuskirche hier in Frankfurt gesagt hat.

Leider haben diese Sätze nicht einmal für eine Schlagzeile in der Tagespresse getaugt. Leider wurden diese Worte bis jetzt von niemandem umgesetzt. Und erst recht nicht von denen, die bei dieser Gedenkfeier vor knapp sechs Wochen medienwirksam mit uns die Hände gefaltet haben.

Wer hierzulande Religionsfreiheit beschwört und interreligiöse Dialoge führt, der muss auch dafür eintreten, dass wir Aramäer, Kopten Armenier und andere Glaubensgemeinschaften in unseren Heimatländern ungehindert und ungefährdet unserer Religion nachgehen können. Darum fordern wir:

Die Enteignung des Klosters Mor Gabriel muss rückgängig gemacht werden. Sonst sind alle Statements und Versprechungen nichts weiter als infame Lügen. Weiterhin fordern wir, nach dem Recht des Lausanner Vertrages, die Anerkennung der Aramäer als eine Minderheit in der Türkei, da sie schon immer dort beheimatet waren!

Der Völkermord an aramäischen und Koptischen Christen in Irak und Ägypten muss ein Ende haben!

Sonst sind alle Gebete und fromme Erklärungen nichts weiter als arglistige Täuschungsmanöver mit dem Ziel, die Öffentlichkeit in Deutschland einzuschläfern, damit man uns in Kairo, Bagdad, und in der Türkei um so leichter erwürgen kann.

Frankfurt ist die Wiege der Deutschen Demokratie. Mor Gabriel, Alexandria und Bagdad sind die Wiegen des Christentums. An diese Wiegen hat man die Hand gelegt.
Man wird sie erst wieder lockern wenn wir erwürgt sind. Umso schmerzlicher ist es, dass Länder wie Deutschland, die sich einer alten demokratischen Tradition rühmen können, fast tatenlos dabei zuschauen und sich einige Menschen hierzulande sogar mit unseren Mördern verbrüdern.

Im Vorfeld gab es Drohungen gegen unsere Demonstration.
Wir wollen allen, die unsere Protestaktion stören oder uns zum schweigen bringen wollen, heute zurufen:

Wir lassen unsere christliche Märtyrer durch Scharlatane wie euch nicht beleidigen oder verunglimpfen.

Menschen, die dies tun, sind die 5. Kolonne unserer Verfolger. Längst hat der lange Arm der Fundamentalisten und Hassprediger uns auch hier in Deutschland erreicht. Schon schleichen die Häscher um unsere Kirchen und spähen uns aus. Unsere Kinder werden beschimpft, bedroht und auf den Schulhöfen drangsaliert. Der Aramäische Bischof von Deutschland wurde in seiner Wohnung überfallen, ausgeraubt und brutal zusammengeschlagen. Die Koptischen Gemeinden in Deutschland mussten nach Morddrohungen unter Polizeischutz gestellt werden.

Wie ist das möglich? So können jetzt einige entsetzt fragen. Der Grund ist einfach:
Es gibt in diesem Land eine Menge Menschen, die sich mit diesen Mordbrennern verbrüdert haben und ihnen Unterschlupf gewähren. Und eine ebenso große Anzahl sorgt dafür, dass sich ihre Zahl bald verdreifachen wird.

Wir verurteilen nicht den Islam, denn hier in Europa hat jeder das Recht auf Religionsfreiheit. Aber wir verurteilen die islamischen Prediger, die nach der Scharia vorgehen und das Töten von Andersgläubigen rechtfertigen. Wenn aber eine Religion von ihren Gläubigern als Frieden definiert wird, warum beruft man sich dann auf die Scharia um seine Taten zu rechtfertigen? Wer dies kritisiert, ist weder Faschist noch Rassist oder ein Verbreiter von Panik. Angst und Panik verbreiten andere Leute. Wer diese Leute sind wissen wir Aramäer, Kopten und Armenier am besten. Der Genozid an unseren Völkern, der von 1916 und der schleichende an den Kopten, überschreitet eine siebenstellige Zahl. Wir haben Erfahrungen mit Unterdrückung und Verfolgung. Leider haben wir auch Erfahrungen mit Menschen, die aus eiskaltem politischem Kalkül, aus Profitinteresse und infernalischem Hass unser Schicksal totschweigen.

Wir haben uns daher heute hier versammelt um gemeinsam unsere Stimme zu erheben:

Die Massaker an Christen im Irak, Ägypten, Pakistan, Türkei, Nordkorea, Nigeria Somalia, Indonesien, Afghanistan, Iran und anderen Ländern müssen endlich ein Ende haben.

Keine Gelder mehr an Staaten, in denen Christen wie Schlachtvieh durch die Straßen getrieben werden! Kein Urlaubsort wo Christenmord! Kein Urlaubsland, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden!

Meine lieben Freunde, wir alle sind ein Sprachrohr. Jeder von uns ist ein Journalist. Jeder von uns ist ein Politiker und ein Streiter für Menschenrechte. Ein unbequemer Mahner, ein Multiplikator. Lasst uns daher weiter mit unseren Deutschen Freunden, mit den Menschenrechtsorganisationen, dafür kämpfen, dass die Sicherheit unser Brüder und Schwestern gewährleistet wird. Heute in Frankfurt, und übermorgen vielleicht in Mannheim oder Hamburg. So lange, bis alle aufwachen. So lange werden wir alle rufen:

Religionsfreiheit ist keine Einbahnstraße, sondern ein unveräußerliches Menschenrecht.

Abschließend möchten wir unserer Rede einige Appelle an islamische Führer hinzufügen:

Herr Erdogan, Sie sind in den Augen der Aramäer und vieler anderer Minderheiten in der Türkei ein Heuchler! Lassen Sie es mich so erklären:

Sie, Herr Erdogan, sprachen am 27.02.2011 vor tausenden Türken in Düsseldorf und sagten unter anderem:

„Das Recht auf Religionsfreiheit dürfe den Türken in Deutschland aber nicht genommen werden.“

Wir Aramäer sagen: Die Türkei selbst nimmt uns das Recht auf Religionsfreiheit. Wir Christen werden massiv in der Türkei unterdrückt und Repressalien ausgeliefert. Unsere Kirchen und Klöster werden beschlagnahmt. Die Ländereien der Klöster werden enteignet (Vgl. jüngste Gerichtsurteile von Januar und Februar 2011: Aramäisches Kloster Mor Gabriel in Mardin. In den von Türken neu besiedelten Städten und Dörfern findet man heute auch keine Kirchen- und Klosterruinen mehr. Um das Kulturerbe der Christenheit in der Türkei vergessen zu lassen, geht Erdogan systematisch vor und lässt alles unter Scheinheiligkeit vernichten.

Sie, Herr Erdogan, sagen: „Niemand darf das Recht der Minderheiten ignorieren“.

Wir Aramäer sagen: Die Türkei selbst ignoriert das Recht der Minderheiten in der Türkei. Wir Aramäer sind die Urbewohner unseres Landes. Sie erkennen uns nicht mal als Minderheit an. Die Türkei verbietet uns, unsere uralte Muttersprache, das Aramäisch, zu unterrichten, zu pflegen oder gar zu sprechen. Wir dürfen keine Bücher und Zeitschriften legal publizieren. Wir dürfen keinen christlichen Religionsunterricht erteilen. Wir dürfen keine Offiziere im Militär oder Beamte im Staat werden und wir dürfen uns nicht im Parlament vertreten.
Und hier in Deutschland sprechen Sie von Religionsfreiheit oder Demokratie für Minderheiten?!

Hören Sie endlich mit Ihrer Heuchelei auf, Herr Erdogan!!

An den Irak richten wir den Appell:
An unserer Forderung nach einer administrativen Schutzzone für die Aramäer halten wir fest!

Wir fordern eine administrative Schutzzone, welche unter dem Schutz der vereinten Nationen, Europas und der USA steht, so wie es bei dem kurdischen Autonomiegebiet bis heute gehandhabt wird. Für eine rasche administrative Schutzzone sprechen die nicht abreißen wollenden Terrorakte und die leidvolle Geschichte der Aramäer im Nahen-Osten – vor allem im Irak.

Die deutsche Regierung fordern wir dazu auf, den gleichen Schritt wie auch die schwedische Regierung zu machen, und den Völkermord von 1915 an den Aramäern, Armeniern und Griechen als Genozid anzuerkennen. Gleichzeitig fordern wir die Türkei dazu auf, sich für den Völkermord im Jahr 1915 zu entschuldigen und als solchen anzuerkennen!

Wir danken Ihnen allen sehr für Ihre Teilnahme und Aufmerksamkeit!

Lukas Saliba

Junge Aramäische Union