München: Hauptstadt des politischen Islam

Der kanadische Journalist Ian Johnson hat der ältesten Moschee Deutschlands in München eine ganzes Buch gewidmet. Denn von Anfang an war der Bau stets mehr von politischem als von spirituellem Interesse. Das wundert die Süddeutsche Zeitung, die den Autor interviewt.

Auszug aus der Süddeutschen:

sueddeutsche.de: Worauf spielt der Titel Ihres Buches an? Sie haben es Die vierte Moschee genannt.

Johnson: Ich stöberte 2003 in einer Londoner Buchhandlung, in der islamistische Schriften verkauft wurden. An der Wand hing eine Weltkarte und darauf waren die wichtigsten Moscheen der Welt abgebildet. Neben der Großen Moschee in Mekka, dem Felsendom in Jerusalem und der Blauen Moschee in Istanbul war das Islamische Zentrum München zu sehen. Dies weckte meine Neugier.

sueddeutsche.de: Was wussten Sie bis dahin über die Münchner Moschee?

Johnson: Ich kannte das Islamische Zentrum München, weil ich zuvor einige Zeit über den politischen Islam recherchiert hatte. Aber es wunderte mich, dass jemand diese Gebetsstätte so hervorhob: Es war nicht die größte Moschee in Deutschland, und schon gar nicht in Europa. Ich fand schließlich heraus, dass das Islamische Zentrum München nicht wie Mekka als religiöser Ort bedeutend ist – aber es war 25 Jahre lang ein wichtiger Standort des politischen Islams in Europa.

sueddeutsche.de: Warum entstand dieses Zentrum des politischen Islam ausgerechnet in München?

Johnson: Die Männer aus Aserbaidschan, Usbekistan, Tadschikistan oder dem Kaukasus, die für die Wehrmacht gekämpft hatten, landeten fast alle in den Lagern für displaced persons im US-Sektor. Hunderttausende wurden zurückgeschickt, doch einige tausend konnten bleiben. München war die größte Stadt im US-Sektor und hier gab es Arbeit für die Muslime. München, damals eine Frontstadt der Ideologien, war ein wichtiger Standort der CIA: Es gab riesige Abhöreinrichtungen, das Konsulat war das zweitgrößte nach Hongkong und die Propaganda-Sender Radio Liberty und Radio Free Europe brauchten Leute mit Sprachkenntnissen und antikommunistischer Gesinnung.

sueddeutsche.de: Wie kamen die Nationalsozialisten darauf, Muslime aus der UdSSR anzuwerben?

Johnson: Die Idee stammt hauptsächlich von Gerhard von Mende, einer der drei Hauptfiguren meines Buches. Er war ein Turkologe, der viele Sprachen beherrschte und sich intensiv mit der Sowjetunion beschäftigt hatte. Er war überzeugt, dass die Achillesferse der UdSSR die muslimischen Minderheiten waren: Sie wollten nicht Teil dieses Imperiums sein, das ihre Religion unterdrückte. Als die Sowjetunion 1991 kollabierte, geschah dies genau entlang dieser Linien.

sueddeutsche.de: Wie funktionierte die Zusammenarbeit während des Krieges?

Johnson: Die Nazis machten während des Ost-Feldzuges Hunderttausende muslimische Kriegsgefangene – manche wechselten freiwillig die Seiten. Einige zehntausend ließen sich von dem Versprechen überzeugen, ihre Heimatländer zu „befreien“, wenn sie nach einer Ausbildungsphase gegen die Rote Armee kämpfen. So gab es in der Waffen-SS sogar Imame, aber im Allgemeinen waren die Nazis nicht glaubwürdig für die Muslime, auch wenn es beim Antisemitismus Berührungspunkte gab. Von Mende hatte übrigens mehrere judenfeindliche Schriften publiziert.

Johnson: Nach Kriegsende wollte er einige seiner Leute weiter benutzen. Damals hatte die Bundesrepublik 13 Millionen Vertriebene, die eine wichtige politische Kraft darstellten. Gerade den Konservativen fiel es schwer, die Oder-Neiße-Linie zu akzeptieren. Politiker wie der Vertriebenen-Minister Theodor Oberländer – er trat später wegen seiner NS-Vergangenheit zurück – hofften, dass die von Mende rekrutierten Leute für einen Kollaps der UdSSR sorgen würden. Später, so lautete das Kalkül, hätten von Mendes Muslime und andere sowjetische Minderheiten dann das Sagen in den neuen Staaten gehabt und dann den Deutschen aus Dankbarkeit geholfen, die alten Gebiete zurückzubekommen. Diese Vorstellung war nicht realistisch – und es fehlte auch das Geld.

Später suchten die Amerikaner Einfluß über die Münchener Moschee zu gewinnen, um den Islam im kalten Krieg gegen Ostblock zu richten.

sueddeutsche.de: Und für diesen Kampf suchte Washington neue Verbündete.

Johnson: Genau, im Kampf gegen den Kommunismus war alles erlaubt. Die Amerikaner kamen zu dem Schluss, dass die Münchner Muslime, also die früheren Nazikämpfer, nicht geeignet waren, um den Islam glaubwürdig in der Welt zu vertreten. In der Sowjetpresse wurde deren Vergangenheit immer wieder hervorgehoben. Sie wurden zu einer Belastung.

sueddeutsche.de: In diese Lücke stieß dann die arabische Muslimbruderschaft.

Johnson: Die radikalen Muslimbrüder waren für diese Rolle viel besser geeignet: Sie waren jung, ehrgeizig, gut vernetzt mit der islamischen Welt und gut ausgebildet. Dieser interne Kampf ist jedoch der Grund, dass in München eine Moschee gebaut wurde – es war der letzte Versuch der deutschen Behörden, die Muslime an die Bundesrepublik zu binden.

sueddeutsche.de: Das war 1958, als der Moscheebauverein gegründet wurde. Wieso dauerte es bis 1973, bis der Ruf des Muezzins das erste Mal erklang?

Johnson: Es kam zu vielen internen Streitigkeiten und es dauerte lange, das Geld zu sammeln. Am Ende wurde der Bau vor allem von Libyen, sprich von Gaddafi, finanziert. Für Verzögerung sorgte auch, dass die deutschen Behörden das Projekt nicht mehr unterstützen, als sie merkten, dass sie keinen Einfluss mehr hatten. Alle Soldaten traten zurück, der Weg war frei für die Muslimbrüder und ihren inoffiziellen Außenminister Said Ramadan.

sueddeutsche.de: Welche Ideologie vertritt die Muslimbruderschaft?

Johnson: Die Muslimbrüder begannen 1928 als Reformbewegung in Ägypten. Ihre Kernbotschaft lautet, dass der Islam die Lösung für alle Probleme sei. Es wäre falsch zu behaupten, dass jeder Muslimbruder ein Terrorist sei, aber fast alle Terroristen haben die klassischen Schriften, etwa vom Gründer Hassan el-Banna oder Sayyid Qutb gelesen. Viele prominente Al-Qaida-Mitglieder haben gesagt: Wir haben die Werke el-Bannas gelesen und es hat mein Denken verändert. Demnach steht einer kleinen Gruppe guter Muslime eine Vielzahl von Ungläubigen gegenüber – und auch all jene Muslime, die nicht im Sinne der Muslimbrüder ihre Religion ausüben.

(…) Mahdy Akef, der bis 2010 die Bruderschaft angeführt hatte, war von 1984 bis 1987 Oberimam in Freimann. Die Moschee war sowohl ein sicheres Rückzugsgebiet als auch eine Drehscheibe, von der aus sie ungestört planen und andere Länder infiltrieren konnten. Das Führungsgremium war ein Who’s who des politischen Islams. Viele dieser Leute hatten keinerlei Bezug zu München, sie stammten etwa aus Ägypten, Syrien und Pakistan. Die Muslimbrüder waren so dominant, dass sie die türkischen Migranten aus der Organisationsebene heraushalten konnten, obwohl diese in der Mehrheit waren. Das ist auch etwas Besonderes: Der politische Islam kam nicht mit den Gastarbeitern nach Deutschland, wie man annehmen würde.

sueddeutsche.de: Die Geheimdienste hatten keine Ahnung, was dort geschah?

Johnson: Die Prioritäten hatte sich geändert: Der CIA-Agent Robert Dreher, ein weiterer Protagonist des Buches, ging von München aus nach Vietnam, was symptomatisch die Veränderung des amerikanischen Interesses zeigt. Die Deutschen waren in den siebziger Jahren mit dem Kampf gegen die Rote-Armee-Fraktion und den Linksterrorismus beschäftigt. Die Verantwortlichen in der Moschee waren sehr unauffällig.

sueddeutsche.de: Gab es Verbindungen zu Terrorzellen?

Johnson: Es gab zwei Ereignisse, die für Aufsehen sorgten: Mahmoud Aboulina, einer der Drahtzieher des Bombenanschlags auf das World Trade Center 1993, hatte zuvor die Münchner Moschee besucht und dort um Rat gebeten. Ein Al-Qaida-Finanzier wurde 1998 in Freimann verhaftet, nachdem das FBI das BKA um Hilfe gebeten hatte. Die Recherchen ergaben, dass der Mann Kontakte zur Hamburger Al-Quds-Moschee hatte, wo Mohammed Atta verkehrte. Ich sage nicht, dass es eine direkte Verbindung gab, aber es sind zu viele Zufälle, um von einer normalen Moschee zu sprechen.

  1. #1 von Südländer am 03/02/2011 - 15:45

    Nein, sowas!

    Islamische Zentren als Anlaufstelle für Islamisten und Terroristen?
    Ist das nicht ein wenig weit her geholt?

  2. #2 von Abu Sheitan am 03/02/2011 - 15:46

    Danke für die Aufklärung. Bis jetzt hatte ich geglaubt, die Türken hätten nach dem Krieg Deutschland wiederaufgebaut.
    Dabei verdanken wir alles „den Männern aus Aserbaidschan, Usbekistan, Tadschikistan oder dem Kaukasus“ .
    Die haben uns sogar vor dem Kommunismus bewahrt und ihn zum Zusammenbruch geführt. 🙂

  3. #3 von Südländer am 03/02/2011 - 15:50

    @ #2 von Abu Sheitan

    Also jetzt nicht nur Trümmer-Türken, sondern auch noch Trümmer-Usbeken, Trümmer-Tadschiken u.s.w.?

    Das ist ja wie mit einem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel – je länger man schaut, desto mehr Sterne sieht man.

    Und uns wollten die damals tatsächlich das Märchen mit den deutschen Trümmerfrauen verkaufen, dieses Drecks-Nazi-Kommunisten.

  4. #4 von Q am 03/02/2011 - 16:06

    Weitere Rezensionen des Buchs sowie ein deutsch untertiteltes Video-Interview gibt es hier.

    Die Nazis, die CIA und der Aufstieg der Muslimbruderschaft im Westen

    Zum Verständnis der Vorgeschichte der politischen Instrumentalisierung des Islam ist z.B. auch der Klassiker Wie Jimmy Carter und Zbigniew Brzezinski die Mudschahedin starteten interessant.

  5. #5 von Rechtspopulist am 03/02/2011 - 16:19

    Alles Ausdruck westlicher Dekadenz.

  6. #6 von Rechtspopulist am 03/02/2011 - 16:19

    Nanu? Text wech?

  7. #7 von Rechtspopulist am 03/02/2011 - 16:21

    Hmm…

    Also nochmal: Ich sehe in der ungestörten entfaltung deiser Ideologen aus dem Orient eine klare Verfallserscheinung. konsequneterweise hätte man deisen Leuten von vorn herein die bude dichtmachen müssen und sie aufgrund ihrer antiwestlichen Aktivitäten nach Hause schicken müssen – ohne Wenn und Aber.

  8. #8 von quotenqueen am 03/02/2011 - 16:41

    „Zum Verständnis der Vorgeschichte der politischen Instrumentalisierung des Islam “

    Lebte denn Jimmy Carter überhaupt schon zu Mohammeds Zeiten?

  9. #9 von Polemaetus am 03/02/2011 - 16:51

    #8 von quotenqueen am 03/02/2011 – 16:41

    :mrgreen:

  10. #10 von Zahal am 03/02/2011 - 17:32

    Die Süddeutsche und so ein Artikel? Na wachen die endlich mal auf? Die Kommentare waren am Interessantesten – nix mit links, sondern sehr profundiert, der Zusammenhang war mir allerdings schon lange bekannt, das Buch kaufe ich mir trotzdem noch.

    Ja, die Islamisierung geht schon viel länger und hat sehr wohl seine Zusammenhänge mit den Nationalsozialisten, Hitler, seinem Busenfreund dem Mufti von Jerusalem, die SS-Muslim Divisionen und dann die Nachkriegszeit, als diese Muslime von Deutschland und den USA geschützt wurden, nach Russland konnten sie ja nicht zurück.

    Shit Welt.

  11. #11 von Q am 03/02/2011 - 19:42

    @ #8 von quotenqueen am 03/02/2011 – 16:41

    „Zum Verständnis der Vorgeschichte der politischen Instrumentalisierung des Islam “

    Lebte denn Jimmy Carter überhaupt schon zu Mohammeds Zeiten?

    Ich hätte korrekterweise und weniger missverständlich schreiben sollen:

    „Zum Verständnis der Vorgeschichte der politischen Instrumentalisierung des Islam durch Nicht-Mohammedaner […]“

    Im Gegensatz zu einem Blog, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnern möchte, muss ich hier als Kommentator wohl einige Gänge höherschalten. Das ist aber kein Nachteil, sondern eher nützliches brain jogging.

    ***

    Ein weiteres bekanntes Beispiel zur politischen Instrumentalisierung des Islam durch Nicht-Mohammedaner :

    Thomas Edward Lawrence (* 16. August 1888 in Tremadoc, Wales; † 19. Mai 1935 in Clouds Hill, England), bekannt als Lawrence von Arabien, war britischer Archäologe, Geheimagent und Schriftsteller. Bekannt wurde Lawrence vor allem durch seine Beteiligung an dem von den Briten forcierten Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich während des Ersten Weltkrieges. […]

    Bereits vor Lawrence‘ Eintreffen wurden solche Taktiken diskutiert, sodass er keineswegs als alleiniger Urheber gelten kann. Dieser Krieg beschränkte sich im Wesentlichen auf Überraschungsangriffe auf kleinere osmanische Militärposten und Sprengstoffanschläge auf die Hedschasbahn, einer Eisenbahnlinie von Damaskus bis Medina sowie auf Anschläge auf die Wasserversorgung am Jamur. Diese Nadelstichaktionen schwächten und demoralisierten die osmanische Armee nachhaltig und führten im Juli 1917 zur Einnahme der Hafenstadt Akaba.

    ***

    Zum Thema ‚T. E. Lawrence / Lawrence von Arabien‘ gibt es übrigens sozusagen als Nebeneffekt etwas Information in einer Dokumentation von ARTE zum Leben von Max von Oppenheim. Diese ist bei YouTube zu sehen, wird wahrscheinlich aber auch von Zeit zu Zeit im Fernsehen wiederholt.

    Der Fund von Tell Halaf

    Beide sind sie Archäologen, doch der 1. Weltkrieg macht sie zu erbitterten Feinden: Der Deutsche Max von Oppenheim und der Engländer Thomas Edward Lawrence werden im Auftrag von König und Kaiser zu Spionen. Sie werden Geschichte schreiben – der eine als Entdecker eines Jahrhundertfundes, der andere als Top-Spion der Briten. […]

  12. #12 von einteilvonjenerkraft am 03/02/2011 - 22:32

    Kleine Korrektur: Die älteste noch bestehende Moschee Deutschlands steht in Berlin:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Wilmersdorfer_Moschee

  13. #13 von einteilvonjenerkraft am 03/02/2011 - 22:37

    von Q am 03/02/2011 – 19:42
    Zum Thema ‘T. E. Lawrence / Lawrence von Arabien’ gibt es übrigens sozusagen als Nebeneffekt etwas Information in einer Dokumentation von ARTE zum Leben von Max von Oppenheim.
    Die ist in der Tat sehenswert. Demnach hatte von Oppenheim während WKI in Istanbul im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des deutschen Kaisers die Muslime zum Jihad aufgerufen. Also Türken und Araber gemeinsam gegen die ungläubige Engländer. Kam damals bei den Arabern allerdings nicht so an, die gingen lieber gemeinsam mit den Engländern auf die Türken los. Von Oppenheim war halt seiner Zeit voraus …

  14. #14 von SEM am 04/02/2011 - 00:34

    www,muslimefuerfrieden.de ich finde das ist eiche gute Aktion