Schweden: Presse zensiert Leser

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, darin sind alle einig. Aber die, die am meisten von ihr profitieren, die Qualitätsjournalisten, sind nicht immer erfreut, wenn sie die Meinungsfreiheit mit anderen teilen müssen. Schließlich haben sie lange gelernt, was die richtige Meinung ist.  Meinungsamateure  wie die dummen Zeitungskäufer, die sich mit Idiotenjobs als Ärzte, Arbeiter, Kaufleute, Unternehmer  oder Ingenieure durchschlagen müssen, haben dagegen oft eine falsche Meinung. Schlimmstenfalls widersprechen sie mit dieser sogar den Meinungsprofis auf deren eigenem Territorium: In den Leserbriefen der Zeitungen.

Besonders unangenehm ist das im Internet, wo oft kein Redakteur die veröffentlichte Lesermeinung zunächst genau auf Übereinstimmung mit der richtigen Meinung prüfen kann. Dem versuchen skandinavische  Zeitungen jetzt zu begegenen, indem der Inhaber falscher Meinungen zumindest Angst vor Bestrafung fühlen und dadurch seine Zunge im Zaum halten soll. Denn Verbrechen wie das von Anders Breivik  scheinen nach richtiger Meinung offenbar durch ein zuviel an Meinungsfreiheit für Bürger verursacht zu werden.  Die Süddeutsche berichtet:

Als Folge der Anschläge von Norwegen haben in dieser Woche drei große schwedische Zeitungen überraschend bekannt gegeben, die Möglichkeiten für anonyme Kommentare auf ihren Websites drastisch einzuschränken. Dagens Nyheter, größte Abo-Zeitung des Landes, schaltete seine Foren sogar ganz ab. Bis Mitte Oktober soll die Netzdebatte auf DN.se verstummen, teilte das Blatt mit. Dann werde man ein neues System mit schärferen Kontrollen einführen.

Die Aktion, an der sich auch die großen Boulevardblätter Expressen und Aftonbladet beteiligten, sorgte für einen Aufschrei in der Netzgemeinde. Von „Zensur“ war die Rede. Anna Troberg, Vorsitzende der Piratenpartei, nannte die Entwicklung „beunruhigend und unglücklich“.

Schweden ist stolz auf seine lange Tradition der Meinungsfreiheit. Die Medien ließen ihre Foren bislang weit offen: Die Nutzer mussten meist nicht einmal eine E-Mail-Adresse angeben. Unflätiges versuchten die Redaktionen im Nachhinein zu löschen, kamen aufgrund der Meinungsflut damit aber oft nicht mehr nach.

Anders als in Deutschland gab es in Skandinavien nach den Anschlägen von Utøya und Oslo kaum politische Diskussionen um Netzanonymität – staatliche Einmischung in die Medien ist verpönt. Aber der Terror von Norwegen befeuerte eine Debatte innerhalb der Branche, die nun in Selbstregulierung mündete. Diskutiert wurde über das Thema ohnehin schon länger, einige Lokalzeitungen hatten die Forenregeln bereits im Frühjahr verschärft.

Als Identitätsnachweis ist der Datenschutz-Albtraum Facebook im Gespräch, wo sich schon Viele wenn nicht um Kopf und Kragen aber so doch um Job und Ansehen geschrieben haben. Die Stasiakte zum Selberschreiben. Wir Blogger begrüßen die Idee und empfehlen sie auch den deutschen Qualitätsmedien, allen voran der Süddeutschen Zeitung. Auf diese Weise können wir endlich das Monopol der freien Meinungsäußerung ganz an uns reißen – und die Qualitätsjournalisten verlieren weiter an Boden. Denn für viele Leser sind schon heute die Leserkommentare in den Zeitungen unterhaltsamer und informativer als die „richtige Meinung“ der gelernten Rechthaber, die in den Artikeln steht.