Um in Deutschland als Intellektueller durchzugehen muss man vor allem tiefe Abscheu gegen alles „Deutsche“ demonstrieren und die nötige Distanz zum eigenen Volk bei jeder Gelegenheit kundtun. Stilechte Karikaturen dieses plumpen Intellektualismus sind leider selten geworden, aber Georg Diez ist zweifellos ein würdiger Vertreter. Er lässt sich die saisonale Gelegenheit nicht entgehen, sich von Karnevalisten, die er aus der Darstellung derselben im Zwangsfernsehen zu kennen glaubt, gefoltert zu fühlen.
Dazu sollte man wissen, dass solche Sendungen nicht von Karnevalisten gemacht werden, sondern von ebenfalls hochintellektuellen Funktionären und Redakteuren zusammen geschnitten werden und wenig mit der Realität feiernder Menschen im Rheinland zu tun haben. Darüber klagt aktuell auch eine Kölner Gesellschaft, deren guter Name für eine ZDF-Sendung missbraucht wurde. Beim WDR ist es nicht besser. Der Gottvater der Karnevalsberichterstattung aus den rheinischen Hochburgen ist ein gebürtiger Sauerländer namens Baltes, der die Liebe zum Karneval nach eigener Aussage selber durch Radioübertragungen in den 60er Jahren in der heimischen Küche entdeckte, ohne eine Vorstellung vom real existierenden Straßenkarneval zu haben. Das erklärt Vieles.
Im SPIEGEL zeigt Georg Diez, wie schlimm es für einen Intellektuellen derzeit ist, in Deutschland leben zu müssen:
Es war eine groß angelegte Analyse, die weit in die Geschichte reichte dieses Landes, seiner Mentalität, seiner Ängste, seiner Probleme und Verklemmtheiten. Es war ein Panorama von anthropologischer Genauigkeit und dabei fast polemischer Härte: Die Bilder waren nicht immer angenehm, die Erkenntnisse waren manchmal schmerzhaft – das sind wir, so ist dieses Land, schaut her, wir können auch Schunkeln und Spagat.
Wir begrüßen Sie zu Brüderle-TVAls erstes sah ich so etwas wie ein Fußballett, vielleicht sagte die Tambourmajorin, die durch den Abend führte, auch „Fußbeatles“, aber ich kann mich irren, ich stand unter Schock – ich fühlte mich in diesem Moment fremd in diesem Land, was ja ein eminent politisches Gefühl ist, geradezu der erste Schritt zu gesellschaftlicher Gerechtigkeit oder dem, was der große Franzose Emmanuel Lévinas „das Andere“ nannte: Und tatsächlich verstand ich langsam, was die ARD mit „Frankfurt: Helau!“ wollte.
Es war eine Lektion in Demut.
Es ist nicht schlimm, wenn man anders ist, das wollten sie zeigen, es ist nicht schlimm, wenn man Sätze sagt wie: „Ich freue mich auf den Gardetanz mit Hebefiguren“, es ist nicht schlimm, wenn man wie ein Duracell-Hase herumhopst, es ist nicht schlimm, das Stumpfsinnige und Schnapsglasige dieser Unternehmung. Es ist nicht schlimm, wenn man sich ohne Sinn und Würde zeigt, wie man eben ist, Schönheit und Grazie sind nicht allen Völkern gegeben, es muss auch einen Ort geben, an dem man einem zauseligen Prinzenpaar zuwinkt und ein paar anzügliche Scherze macht und zwischendurch ruft: „Freuen Sie sich auf Hiltrud und Karlheeeeeiiiiinnnnzzzzz!“ und dann stolpert ein Rentnerpaar auf die Bühne in scheußlichem Anzug und scheußlichem Kleid. Und sie machen Witze, die nicht witzig sind, und alle lachen, und es ist gut zu wissen, dass es das Jahr 2013 ist und nicht das Jahr 1953, sonst hätte man sich vielleicht gefragt, was Karl Heinz an der Ostfront gemacht hat und Hiltrud beim BDM.
Ich dachte ja, ich hätte dieses Land verlassen, vor ungefähr vierzig Jahren.
Dieses Land, in dem Männer Günter „Dudi“ Dudenhöffer heißen und „Marmor, Stein und Eisen bricht“ singen, dieses Land, in dem Männer in regenbogenfarbenen Anzügen einen Schwitztest machen, bei dem man beide Arme heben muss. Dieses Land, in dem es lustig ist, wenn sich zwei Putzfrauen in grauem Kittel und Kopftuch so unterhalten, als müssten sie immer noch Trümmer wegräumen und ihre kriegsversehrten Männer durchfüttern. Dieses Land, in dem es ein großes Hallo gibt, wenn die deutschen Meister im, ja was: Wettgrinsen, Zackizackimachen, Frauenstemmen auf die Bühne spagaten – ich wusste nicht, dass es dieses Land noch gibt. Ein Land voll unterdrückter Sexualität und seifiger Zoten, ein Land, das von Dialekten regiert wird, die niemand versteht, das Land, in dem Rainer Brüderle zu Hause ist, das Rhönrad der deutschen Politik.
Das ist also der Grund für sein Weltbild, das ist der Grund für seinen Sexismus. Das ist der Grund für seine geistige Wurstfingerigkeit – es war Brüderle-TV, das mir das klar gemacht hat: Brüderle-TV, für das ARD und ZDF unbedingt viel Geld ausgeben müssen. Es ist schließlich deren Aufgabe, die Demokratie in diesem Land zu retten.
Viel Geld also weiter für diese Art der Sozialstudien, am kommenden Dienstag im ZDF „Karneval Hoch Drei“ aus Düsseldorf, am Donnerstag dann auch im ZDF „Mer losse d’r Dom in Kölle“, am Freitag endlich vier Stunden „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ in der ARD, am Samstag „Düsseldorf Helau“ in der ARD, am Montag „Karneval in Köln“ in der ARD, alles mal wieder zur besten Aufklärungs- und Erziehungszeit um Viertel nach acht.Das ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das wir brauchen, lieber Herr Programmdirektor Herres – und wenn zum Beispiel die Amerikaner das nicht verstehen, wenn sie mal wieder auf „Wetten, dass..?“ herumhacken wie die „New York Times“, wenn sie überrascht sind, dass Deutschland mehr ist als Goethe und Hitler, wenn sie sich die Augen reiben, weil sie nicht glauben können, dass sich dieses Land in ein blubberndes Aquarium voller grotesker Gestalten verwandelt, die Dinge tun, die anderen Kulturen nur schwer zu vermitteln sind, weil sie aus den Tiefen der Regression kommen und damit vordemokratisch und geradezu urzeitlich sind – ja, dann sollen sie halt mal drei, vier Stunden so eine royalistisch-militaristische-superspaßige Karnevalssause mitmachen, viel schlimmer als Waterboarding kann es kaum sein.
Dass ein Journalist, der über Karneval schreibt, nichts über die antimilitaristischen und demokratischen Wurzeln dieses Brauchtums wissen muss, ist im deutschen Meinungsjournalismus schon normal – sonst könnte man ja direkt verlangen, dass ein Journalist, der über Kernkraft schreibt, mal Physikunterricht gehabt haben sollte. Aber dass ein junger Mensch geistiges Waterboarding erträgt, weil ihm noch niemand gezeigt hat, wie man einen Fernseher abschaltet, ist erschütternd. Zwangsfernsehen, Herr Diez, heißt bisher lediglich, dass wir alle dafür zahlen müssen. Einschalten müssen wir es bis jetzt noch nicht – und immer weniger Bürger tun das ja auch. Statt dessen kann man mal vor die Tür gehen und sich die Realität da draußen selber ansehen. Sie werden sehen, Deutschland ist ganz anders, als sie es aus Erzählungen im Fernsehen kennen!
#1 von Harald am 07/02/2013 - 18:37
Vielleicht braucht er für die „Hebefiguren“ und den Spagat,
oder,
um es e bissl intellektuell auszudrücken,
für seine Sicht der Dinge schlicht eine andere Brille.
http://www.titanic-magazin.de/index.php?eID=tx_cms_showpic&file=uploads%2Fpics%2Fdiez.jpg&md5=2d217566e6c0f3a547e3c3ab782fab52244d2c6d¶meters%5B0%5D=YTo0OntzOjU6IndpZHRoIjtzOjQ6IjgwMG0iO3M6NjoiaGVpZ2h0IjtzOjM6IjYw¶meters%5B1%5D=MCI7czo3OiJib2R5VGFnIjtzOjIwOiI8Qk9EWSBiZ0NvbG9yPWJsYWNrPiI7czo0¶meters%5B2%5D=OiJ3cmFwIjtzOjM3OiI8QSBocmVmPSJqYXZhc2NyaXB0OmNsb3NlKCk7Ij4gfCA8¶meters%5B3%5D=L0E%2BIjt9
Die Dioptrien-Werte dürften knapp unterhalb denen von Glasbausteinen liegen,
Jesses nee…
Bei Onkel Adolf war das einfacher:
Frohsinn!!!…
…das ist ein Befehl!
Ernsthaftigkeit an
#2 von almansour am 07/02/2013 - 19:38
Vielleicht ist der Diez ein Protestant, ein Bilderstürmer. Die Lutheraner und die Calvinisten gar verstehen auch keinen Spaß. Der eine, Luther, hetzte zum Bauernerschlagen und zum Judenpogrom, der andere, Calvin, ließ, neben vielen anderen, einen reformatorischen Gegner auf auserbeten kleiner Flamme zu Tode schmoren, weil dieser, Servatus, die Dreifaltigkeit Gottes aus genauerer Bibelkenntnis ablehnte.
Der Karneval der Katholiken ist also nicht das Schlimmste, was Religionen in petto haben.
#3 von Harald am 07/02/2013 - 21:03
Protestanten — Katholiken
„Teile und herrsche“?
Ich hab´s nicht „so“ mit Religionen,
auf eines sei jedoch hingewiesen:
Auf den kleinen Unterschied zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem.
Welchen Sinn hat es beispielsweise,
jemandem, der sich zum Guten gewandelt hat vorzuhalten er sei ein schlechter Mensch gewesen?
Vielleicht den, eigenes, g e g e n w ä r t i g e s Verhalten zu relativieren,
(vermeintlich, lass´ stecken, das funktioniert nicht) rethorisch in die Enge zu treiben,
zu spalten oder was auch immer?
#4 von Harald am 07/02/2013 - 21:07
…rhetorisch..
.
#5 von Gutartiges Geschwulst am 07/02/2013 - 21:19
Ein armes Schwein sträubt sich, gegen seine Bedeutungslosigkeit.
#6 von Heinz Ketchup am 07/02/2013 - 21:28
#1 von Harald am 07/02/2013 – 18:37
Ist das etwa die neueste 3D-Brillen-Kreation? :shock::
Harald, es geht aber auch kürzer: 😉
http://tinyurl.com/a8p6r8n
#7 von Harald am 07/02/2013 - 22:01
#6 von Heinz Ketchup am 07/02/2013 – 21:28
Ich bin eben gerade den grundlegenden Weg gegangen,
(mich in die Befehle einzulesen)
danach war ich auf (…)tinyurl.com,
zum ersten Mal übrigens.
„“Jugend“ forscht“ 😉 🙂
#8 von Heinz Ketchup am 07/02/2013 - 22:38
#7 von Harald am 07/02/2013 – 22:01
tinyurl.com ist wirklich eine feine Sache, vor allem wenn man bedenkt, dass Dein Link hier auf der QQ-Seite nur halb zu sehen also ellenlang ist und der Bildschirm gar nicht mal reichte. Es hat aber trotzdem funktioniert. 😉
Den Vogel hatte gestern bei „Dann mach doch die Bluse zu“ ja Krokodil abgeschossen. Der Link, oder was das sein sollte, ist ja voll in die Hose gegangen. Das war denn wohl etwas zuviel des guten. 😀
#9 von Harald am 07/02/2013 - 22:52
Um gegen Phishing o.ä. geschützt zu sein,
hier die Möglichkeit der Information bezüglich des Ursprungs-Links,
unabhängig vom verwendeten Browser anhand eines Beispiels:
http://tinyurl.com/a8p6r8n
http://preview.tinyurl.com/a8p6r8n
#10 von Harald am 07/02/2013 - 23:05
…aber das wirst Du vermutlich längst wissen….
…““Jugend“ forscht“… 😉
#11 von Heinz Ketchup am 07/02/2013 - 23:11
@QQ
Also ich finde, dass Georg Diez nicht ganz falsch liegt. Dabei hat er ja nur die Sendungen von ARD und ZDF im Zeitraum vom 5. Februar bis zum 11. Februar.2013 aufgeführt.
Angefangen hat dieser Wahnsinn zur Hauptsendezeit ja bereits am 26. Januar und enden wird er erst am 12. Februar 2013!
Das sind nach meiner Zählung 34! Sendungen auf fast allen Kanälen des GEZ-finanzierten Volksverblödungs-Fernsehens und das eben zur Hauptsendezeit!
Die Uralt-Wiederholungen des WDR, bereits Anfang des Jahres, und andere karnevalähnlichen Sendungen nicht mitgezählt.
Zwangsfernsehen, Herr Diez, heißt bisher lediglich, dass wir alle dafür zahlen müssen. Einschalten müssen wir es bis jetzt noch nicht – und immer weniger Bürger tun das ja auch.
Mit dieser These haben Sie ja vollkommen recht, nur dass immer weniger Bürger fernsehen juckt doch die Öffentlich-Rechtlichen nicht, die stört das (den Zwangsgebühren sei dank) herzlich wenig.
#12 von Heinz Ketchup am 07/02/2013 - 23:19
#10 von Harald am 07/02/2013 – 23:05
Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. 🙄
#13 von Sophist X am 08/02/2013 - 07:36
„He, Diez, das Jahr ist rum, schreib mal irgendwas über Karneval!“
„Muss das sein, wieso ich?“
„Kein Zeit rumzudiskutieren, mach hin, brauch ich bis morgen.“
Am Ende eine rundum missglückte Büttenrede auf den Fernsehkarneval, die Talsohle wird bei „Brüderle, das Rhönrad der deutschen Politik“ erreicht; da würde auch ein vollalkoholiserter Jeck nichtmal die Mundwinkel verziehen. Bei Der Spiegel ist Diez als humoristischer Totalversager aber sicher am richtigen Platz.
Was seine supersubtilen Versuche sollen, die Sexismusdebatte mit seiner Karnevalsdebatte zu verschmelzen, bleibt unklar. Vielleicht fühlt er sich durch den Spagat der Damen und die Tatsache, dass sie sich bei Tanzfiguren von Männern anfassen lassen, moralisch beeinträchtigt. Darüber sollte er mit seinem Therapeuten, oder vielleicht auch mit dem Verlagsimam bei Der Spiegel reden.
Und im Hintergrund hört er, was sonst, die Ostfront; alles Nazis außer Mutti, diesesmal geht’s aber ohne Hitlerporträt bei Der Spiegel.
#14 von PillePalle am 08/02/2013 - 08:15
„Dieses Land, in dem es lustig ist, wenn sich zwei Putzfrauen in grauem Kittel und Kopftuch so unterhalten, als müssten sie immer noch Trümmer wegräumen“
Und ich idiot dachte, die Türken haben die Trümmer beseitigt….
#15 von kongomüller am 08/02/2013 - 09:55
diez benimmt sich wie eine moralinsaure gouvernante, die alle 10 jahre einmal zum lachen in den keller geht.
wenn ihm karneval nicht gefällt, soll er sich über die tollen tage frei nehmen und urlaub in nordkorea machen.
das beste ist sein spruch:
—
„am Montag “Karneval in Köln” in der ARD, alles mal wieder zur besten Aufklärungs- und Erziehungszeit um Viertel nach acht.“
—
beste erziehungszeit also, daher weht der darmwind dieses möchtegern-„intellektuellen“ –
ich mach mir mein fernsehvolk, widdewiddewie es mir gefällt.
er hat noch nicht geschnallt, daß dieser belehrungszwangsfunk immer mehr leuten auf die eier geht. da ist karneval allemal besser.
#16 von Gudrun Eussner am 09/02/2013 - 16:10
Georg Diez ist das Produkt dessen, das er hier ohne Kenntnis seiner eigenen Herkunft zu verreißen meint. Er verreißt sich sozusagen selbst, den spaßfreien Spießer des Protestantismus und Calvinismus (siehe Kommentar #2). Ein typischer Wichtigtuer, der faktenfrei die Zeilen schindet. Passend zum Spiegel.
Ich habe in diesem Jahr keine einzige Karnevals- oder Faschingssendung gesehen und trotzdem meinen Bedarf an Fernsehen gut decken können, ich habe sogar den Eindruck, daß die Sender, die nicht Karneval oder Fasching bringen, sich ausnahmsweise mal Mühe geben und gute Filme oder Krimis einwerfen.
#17 von Jeremias am 09/02/2013 - 23:50
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Leute, das ist ein toller Spruch.
Er sagt aus, daß einer wie Diez über seine Landsleute lästert,
sich derart selbst liebt.
Oder wie ein Kollege mir mal über einen Kollegen klagte:
„Der liebt sich doch selbst nicht!2
#18 von Peter Pan am 10/02/2013 - 01:16
Ach und ich dachte für die Berufsmiesepeter wäre extra die Stunk-Sitzung erfunden worden mit extra langweiliger politcorrecter Sozialneidkomik. Denn wenn Linke eins nicht sind, dann komisch!