Warum ist König Balthasar schwarz? – Teil 1

Gastbeitrag von Klaus Lelek
Die Geschichte und Irrfahrt eines geheimnisvollen Edelsteins, der einst den Schrein der Heiligen Drei Könige zierte. Mit Schauplätzen in Alexandria, Rom, Konstantinopel, Köln und Wien. Ein historischer Krimi mit weihnachtlichen Bezügen, gewürzt mit ein wenig Islamkritik – Es war einmal ein König, nein, keiner von denen aus dem Morgenland. Er hieß Phiadelphos II aus dem Geschlecht der Ptolemäer und lebte in Ägypten 280 Jahre bevor Jesus auf die Welt kam. Dieser König liebte seine Frau Arsinoe II abgöttisch – nachdem er seine erste Frau, Arsinoe I, in die Wüste geschickt hatte – und lies zum Zeichen seiner Liebe von sich und seiner neuen Ehegattin zwei Porträts in einen wertvollen Edelstein gravieren. Daß seine Frau, wie auch ihre Vorgängerin, gleichzeitig seine Schwester war, störte in Ägypten niemand, denn königliche Geschwisterehen waren seit Jahrtausenden gang und gäbe.

Für die Leute aus Alexandria war der König Sinnbild des Gottes Zeus Amun, und die Königin war die Stellvertreterin der Göttin Isis. Ganz Ägypten war ein Musterbeispiel an Toleranz. Niemand drang in eine Synagoge oder den Tempel einer fremden Volksgruppe ein und tötete unschuldige Menschen, nur weil sie zu einem anderen Gott beteten. Die Jüdische Rabbiner saßen gemütlich in einem Garten und übersetzten das Alte Testament, während draußen ein Buddhist vorbei schlenderte und sein OMMMM sang.

Auch in anderer Hinsicht waren die Sitten im Orient viel menschlicher als heute. Frauen trugen keine Schleier, hatten fast die gleiche Rechte wie Männer, durften sich ihre Partner meist selbst aussuchen, und wenn eine mal fremd ging, dann wurde nicht die Frau sondern der Mann „gesteinigt“ und zwar mit Spottversen. Ich weiß, das ist schon sehr lange her, so dass es heute 2010 fast wie ein Märchen klingt.

Der Stein, in den Phiadelphos II sich und seine Schwester verewigte, heißt Sardonyx und wurde später vom Evangelisten Johannes als sechster Edelstein in die Grundmauern des „Himmlischen Jerusalems“ eingefügt. Er besteht aus weißem, fehlerlosen Calcedon, der wie Porzellan schimmert, rotem Sarder, auch bekannt als Karneol und einer Schicht schwarzem Onyx. Besonders prächtige Exemplare weisen mehrere Lagen dieser unterschiedlichen Farben auf. Aus einem neunlagigen Sardonyx fertigte ein geschickter Künstler das herrliche Porträt. Vor einem roten Hintergrund aus Sarder leuchten in weißem Calcedon die Gesichter des Herrscherpaares, gleich groß, und aus dem schwarzen Onyx formte der Steinschneider den herrlichen Helm des Königs, dessen Nackenschutz der Kopf des Gottes Amun ziert. Ganz schwarz ist dieser Kopf. Ein Schelm, der schon jetzt böses dabei denkt.

So lebte das Herrscherpaar in Frieden, freute sich an seinem Stein und vererbte ihn weiter.
Auf diese Weise gelangte er auch an den Hals der wunderschönen Kleopatra. Die wurde wie ihre Uroma mit ihrem Bruder verheiratet, und sollte mit ihm den Tausende Jahre alten Reigen Ägyptischer Pharaonenpaare fortsetzen. Aber dann kam alles ganz anders. Plötzlich tauchten böse Machos aus Italien auf, so Typen wie Berlusconi mit Halbglatzen und Haaren auf der Brust. Zuerst Pompejus, der wurde rechtzeitig ermordet bevor er mit Kleopatra anbandeln konnte, dann der Obermacho Cäsar. Der stürzte sich gleich auf seine Beute, nachdem er zuvor die bedeutenste Bibliothek der Antike abgefackelt hatte – aus Versehen versteht sich – schnappte sich die Holde Maid samt Stein und schleifte sie ins Schlafgemach. Am Ende jedoch wußte niemand mehr so recht, wer hier Beute und wer Raubtier war. Schließlich schaffte es die ägyptische Schönheit den Glatzkopf zu einer „Menage a trois“ zu überreden. Daß die impulsiven Italiener gerne auf öffentlichen Plätzen mit harten, spitzen Gegenstände auf Prominente losgehen, haben wir ja erst neulich im Fernsehen gesehen. Früher benutze man für solche Attacken keine Miniaturen des Mailänder Domes sondern Dolche.

Kurzum, der große Feldherr wurde ermordet und Kleoptara ging mit Cäsars Kumpel Markus Antonius zurück nach Alexandria. Auch Macho Nummer drei fand ein unrühmliches Ende. Ägypten wurde nun endgültig Teil des Römischen Weltreiches unter dem neuen Kaiser Augustus. Die arme Kleopatra wiederum hatte keine Lust mehr noch mal das Bett zu wechseln – zwei Cäsaren sind ja auch wirklich genug – und setzte sich eine Giftschlange an den Busen. Dadurch wurde sie unsterblich und zu einem beliebten Motiv späterer Genremaler.

Eine Menage a trois mit Augustus hätte wahrscheinlich zu einem ähnlichen Ergebnis geführt, denn seine Frau Livia Drussila war selbst eine Giftschlange und hätte den beiden die Hölle auf Erden bereitet.

Die letzte Ägyptische Pharaonin ist so nebenbei bemerkt, die letzte rechtmäßige Inhaberin dieses Steines. Seitdem geistert er durch die Weltgeschichte und geht als Kriegsbeute, Diebesgut und Hehlerwahre von Hand zu Hand. Kaiser Augustus lies alle Schätze der Königin Kleopatra nach Rom schaffen, darunter auch den berühmte Kameo der Ptolemäerdynastie.

Da lagen schon so viel Schätze anderer ausgeraubter Länder in den Truhen, dass der Stein nicht mehr weiter auffiel. Über 360 Jahre passierte nichts, dann standen plötzlich Kaiserliche Möbelpacker in der Schatzkammer, sammelten alle Kleinodien ein, und ab ging es nach Konstantinopel, der neuen Residenz von Konstantin, dem ersten christlichen Kaisers des von nun an „Christlichen Abendlandes“. Dass der Monarch bald schon seine Frau umbrachte und seinen Schwager, tat seiner späteren Heiligsprechung keinen Abbruch. Hier in Konstantinopel, an diesem sicheren Ort, Dreiviertel umgegeben von Meer und wehrhaften Doppelmauern, überlebte das kostbare Amulett die Völkerwanderung, die Bilderstürmer der Isaurischen Dynastie, die Angriffe von Russen, Bulgaren und Normannen. Doch welcher Ort auf dieser Welt ist wirklich sicher?

Verrat, Gier und Dummheit bringen selbst die stärksten Mauern zum Einsturz. Vor allem wenn sich der Feind im eigenen Lager befindet. Wie es weitergeht mit dem geheimnisvollen Amulett erfahrt ihr morgen in Teil 2.

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